Ein Ja, das Bestand hat
“Das ist das eigentliche Sakrament - ein Ja, das immer wieder neu gesagt wird, ein Ja, das Bestand hat und sich insofern etwas abschaut vom "lieben” Gott.”
Zu diesem Satz steht im Buch “Zwischen uns bleibt Raum für die Liebe!” von Bernhard Liss folgender Text, der versucht aufzuzeigen, was damit gemeint sein kann.
“Im Partner Gott begegnen
Gelegentlich gibt es das Missverständnis, Christen würden meinen, ihre Ehe hätte eine höhere Qualität. Demgegenüber zeigt die Erfahrung, dass gläubige Menschen um ein gutes Zusammenleben mit dem Partner genauso ringen müssen wie andere.
Der Unterschied ist klar: Er liegt im Glauben und in der damit verbundenen anderen Sicht. Das gilt für die Ehe genauso wie für alle anderen Bereiche des Lebens. Ein Mensch, für den Gott der große Partner des Lebens ist, von dem alles ausgeht und in dem alles seine Vollendung findet, nimmt den einzelnen Tag als Geschenk an und fühlt sich für den Umgang mit den Dingen und für die Begegnung mit den Menschen vor diesem Gott verantwortlich, das heißt, er weiß um das Interesse Gottes an seinem Leben und ist bereit, ihm Antwort zu geben, wenn er danach fragt, wie er den einzelnen Tag gestaltet hat.
Auf die Ehe bezogen ergibt sich aus dem Glauben eine besonders schöne Sicht: weil Gott – nach dem Zeugnis des Neuen Testaments – die Liebe ist, hat auch eine Beziehung, deren Substanz die Liebe ist, mit Gott zu tun. Einerseits können sich die Partner an Gott orientieren, andererseits können sie sich gegenseitig helfen, Gott näherzukommen.
Gott ist treu
Gott steht also zu seinem Wort, das er den Menschen gegeben hat. Das heißt im Einzelnen zum Beispiel:
- Ich bin immer für dich da.
- Ich lasse dich nicht allein und helfe dir, wenn du in Schwierigkeiten gerätst. - Ich schaue in dein Innerstes und verstehe dich durch und durch.
- Ich bin daran interessiert, dass du aus deinem Leben etwas machst.
- Ich liebe dich zärtlich und leidenschaftlich
Partner, die daran Maß nehmen, haben vor sich eine großartige Orientierung und werden in einer lebendigen Beziehung leben, solange sie auf diesem Weg bleiben.
Gott verzeiht
Er hat ein großes Herz, in dem auch Raum ist für den Menschen mitsamt seinen Fehlern. Denn Gott urteilt nicht nach Äußerlichkeiten, sondern er versteht, was im Inneren vorgeht, wenn jemand Unrecht tut.
Liebende, die an einen solchen Gott glauben und davon überzeugt sind, dass er etwas mit ihrem Leben zu tun hat, werden vorsichtig sein, wenn es sie drängt, hart zu urteilen. Wenn sie durch das gute intime Gespräch die Motivation des Partners immer besser verstehen, hat das unweigerlich eine Wirkung dort, wo Fehler die Beziehung stören, selbst wenn sie einem gelegentlich auf die Nerven gehen.
Gott lässt Freiheit
Gott drängt sich trotz aller Liebe den Menschen nicht auf und schlägt nicht drein, wenn er ihre Wege beobachtet. Er möchte niemanden auf den geraden Weg zwingen, sondern macht sich von der freien Entscheidung des einzelnen für das Gute abhängig. In einer Beziehung, die vom Glauben an diesen Gott geprägt ist, wird mit der Zeit immer weniger Druck ausgeübt werden, bis schließlich .... aber vielleicht ist das zu kühn gedacht; wahrscheinlich kann der Mensch im Laufe seines kurzen Lebens nicht so weit kommen, dass er keinerlei Druck auf einen geliebten Partner ausübt, trotzdem ist es wertvoll, die Richtung zu kennen. Auch die andere Seite hat eine große Bedeutung: Wer die Treue des Partners lebendig erfährt, weiß danach vielleicht besser, was es heißt: Gott ist treu. Wem ein Fehler verziehen wird, der versteht von daher vielleicht mehr davon, was die Theologie mit dem barmherzigen Gott meint. Und wer fühlen darf, dass er trotz der Sehnsucht des Partners nach Gemeinsamkeit ein freier Mensch ist, hat unter Umständen dadurch erst begriffen, wie groß der Gott der jüdisch-christlichen Tradition ist.
Freilich können die zwei Menschen, die sich miteinander verbunden haben, durch die Art, wie sie Gespräche führen und miteinander umgehen, nur die Voraussetzung dafür schaffen, dass es solche Erlebnisse gibt. Ob diese auch zu einer Gotteserfahrung werden, ist eine Gnade, die nicht gemacht werden kann. Sie ist ein Geschenk.
Im Bedürftigen Christus begegnen! Wer ist so bedürftig wie der Lebenspartner? Eine besondere Chance tut sich für Christen durch ein Bild auf, das Jesus in einer Erzählung von der endgültigen Abrechnung gezeichnet hat: Er sagt eindeutig, dass wir in jedem Menschen, der uns braucht, ihm begegnen. Wir können ihm eine Hilfe leisten oder diese verweigern.
Wer seinen Gottesglauben auf Jesus Christus aufbaut, hat zu ihm naturgemäß eine besondere spirituelle Beziehung. Als Konsequenz daraus ergibt sich die Kostbarkeit solcher ‚anonymer Begegnungen’ mit dem göttlichen Herrn im anderen Menschen.
Bei den Bedürftigen denken viele Christen an Bettler, Flüchtlinge, Gefangene, Kranke usw. Ist aber nicht der Ehepartner von allen am bedürftigsten – z. B. mit der stummen Bitte um ein freundliches Wort, der Hilflosigkeit in einem Konflikt oder der Verzweiflung im Stress! Allerdings ist dies wegen der ständigen Nähe nicht so leicht wahrzunehmen. Der Glaube kann aber dazu führen, dass der Blick geschärft wird.
Vielleicht ist es nach diesen Andeutungen verständlich, was damit gemeint ist, wenn katholische Christen die Ehe ein Sakrament nennen, also eines der sieben heiligen Zeichen für das Wirken Gottes an den Menschen.
Wenn dieses Verständnis im Gespräch gläubiger Partner eine Rolle spielt, ergibt sich daraus am ehesten die Fähigkeit, das Gespräch mit Gott, also das Gebet, gemeinsam zu praktizieren. Die Erfahrung lehrt ja, dass selbst gläubige Ehepartner damit Schwierigkeiten haben, weil sie die Intimität scheuen, die eine Öffnung Gott gegenüber mit sich bringt. Das Gebet in einer Gruppe unter Freunden oder mit der ganzen Familie fällt ihnen leichter als zu zweit.
Wenn diese Scheu bewusst wird, ist das ein gutes Zeichen, nämlich für eine gewisse Sensibilität im religiösen Bereich. Wer Hemmungen hat, bei jeder Gelegenheit frisch und munter Gebete zu sprechen, spürt vielleicht etwas vom erhabenen Geheimnis der jenseitigen Welt, das bei uns Menschen die Haltung der Ehrfurcht herausfordert. Die Partner sind gut beraten, wenn sie gemeinsames Gebet nur in der Weise vollziehen, die ihrem Gefühl entspricht. Das kann für das eine Paar heißen, still beisammenzusitzen, für ein anderes nach einer Zeit der Besinnung einen bekannten Text, z. B. das Vaterunser, miteinander zu sprechen. Wieder andere können unbefangen, so wie es ihnen in den Sinn kommt, ihre Gedanken und Gefühle Gott gegenüber vor dem Partner aussprechen. In allen Bereichen des gemeinsamen Lebens gibt es Entwicklungen. Das gilt auch für den Ausdruck des Glaubens. Wo das Glück der Übereinstimmung im Religiösen gegeben ist, lohnt es sich, auch im Hinblick auf die Qualität der Beziehung, jene Gebetskultur anzustreben, die von beiden bejaht werden kann.”
Aus: Bernhard Liss: “Zwischen uns bleibt Raum für die Liebe”, Echter Verlag
Luitgard Derschmidt; 11. 02. 2003