Miteinander reden ...
Gesprächskultur
Laut Familienbericht des Familienministeriums: Studien beweisen, dass die Ehezufriedenheit (Beziehungszufriedenheit) stark mit der Zufriedenheit der Partner mit ihren Gesprächen zusammenhängt. Diese Zufriedenheit ist aber nicht von der Menge und der Zeit, die für Gespräche zwischen den Partnern genützt wird, abhängig, sondern von der Qualität dieser Gespräche. Wenn ich erfahre, mein Partner hört mir ernsthaft und wertschätzend zu, das heißt ich kann von meinen Gefühlen, meinen Verletzungen, meinen Problemen aber auch von meiner Freude und von meinen Erfolgen erzählen, ich kann ihm einfach sagen, wie es mir wirklich geht, dann fühle ich mich als Person angenommen und akzeptiert. Das gleiche gilt natürlich auch umgekehrt. Wir werden miteinander vertraut, weil wir in unseren Gesprächen uns gegenseitig öffnen können, keine Angst vor Beurteilung und schon gar nicht vor Verurteilung und Abwertung haben müssen, weil wir auch im und durch das Gespräch diesen geschützten Rahmen für die Intimität unserer Beziehung erleben. In diesem Sinn hängt das Gelingen der Partnerschaft vom Gelingen guter Gespräche ab. Wir erhoffen ja gerade in unseren Beziehungen, dass wir dort nicht aufgrund unserer Leistung, unseres Erfolges, unseres großen Autos geliebt werden, sondern weil ich eben ich bin , als Person, das heißt aber nicht dass alles, was ich tue, unbedingt das Entzücken meines Partners/meiner Partnerin auslösen muß und das “So - Wie - Ich - Bin” erfährt mein Partner, meine Partnerin auch dadurch, dass ich ihm/ihr etwas über mich mitteile, mich ihm/ihr gegenüber öffne.
Veränderungen
Am Anfang der Beziehung wissen das alle und die Lust am gemeinsamen Gespräch wird meist auch intensiv erlebt und gepflegt. Die Erfahrung zeigt aber, dass die Gespräche mit der Dauer einer Beziehung meist abnehmen. Und Studien belegen sogar, dass auch der Wortschatz, der in diesen Partnergesprächen verwendet, zunehmend kleiner wird. Das heißt, Paare, die schon länger zusammen sind meinen, mit immer weniger Worten auszukommen. Sie glauben, dass sie schon alles voneinander wissen und sie bedenken nicht, dass das auch bedeuten kann, dass das echte Interesse aneinander schwindet. Denn alle Menschen verändern sich wie alles, was lebendig ist sich immer verändert. Wissenschaftler sagen, dass sich innerhalb von 7 Jahren jede Zelle des menschlichen Körpers erneuert und wir merken das gar nicht. Genauso verändert sich der Mensch auch im geistig-seelischen Bereich, ohne dass man das von außen wahrnehmen kann. Wie kann ich wissen, wie es dir heute geht und warum und worüber du zur Zeit intensiv nachdenkst? Und wie kannst du von mir wissen, worüber ich mich gerade so gefreut habe und was mir über die Leber gelaufen ist und womit ich mich gerade beschäftige? Viele meinen außerdem, Partnergespräche wären eigentlich ausschließlich Konfliktgespräche, bei denen es immer um Probleme geht. Der alte Goethe hat das in einem Spruch so ausgedrückt: “In der Ehe muss man sich manchmal streiten, denn nur so erfährt man etwas voneinander!”
Im Gespräch bleiben
Ich bin aber überzeugt, wenn man öfter miteinander reden würde, ohne schon ein Problem oder gar einen Konflikt lösen zu müssen, wenn man einfach sich gegenseitig die Möglichkeit bietet etwas voneinander zu erfahren, dann müsste man vielleicht weniger oft streiten. Und außerdem könnte man wahrscheinlich besser miteinander streiten, denn ohne Auseinandersetzungen kommt man in keiner Partnerschaft aus.
Dazu ist es aber wichtig, dass man miteinander im Gespräch bleibt. Denn indem ich meinem Partner/ meiner Partnerin von mir, meinen Gefühlen, meinen Hoffnungen und Enttäuschungen usw. etwas sage und ich vom Anderen auch immer wieder etwas erfahren darf, lassen wir einander an dem, was uns wichtig ist, an unserem Leben teilhaben. Und eigentlich heißt Partnerschaft ja nichts anderes als Teilhaberschaft!
Diese Art von Gesprächen ist oft nicht ganz leicht zu führen, da wir im Beruf oder sonst in der Öffentlichkeit ja gerade nicht über unser Innerstes reden sollen. Das wäre ja wirklich nicht sinnvoll und geradezu peinlich. Daher haben wir solche Gespräche nicht geübt. Das macht für viele eine Schwierigkeit aus. Eine wesentliche Voraussetzung für diese Gespräche und ihre Qualität ist aber, dass eine “Öffnung von Person zu Person” möglich wird und nicht nur “über etwas” gesprochen wird.
Ich weiß natürlich auch aus eigener Erfahrung, dass der gute Wille oft da ist, aber die Zeit fehlt und meist etwas anderes im Augenblick viel wichtiger ist und wir machen das dann später, nicht? Aber wenn unsere Beziehung für mich, für uns und unser Leben wichtig ist, so muss man sie auch pflegen wie alles Lebendige, was gut gedeihen soll.
In dem Buch von Bernhard Liss: “Exerzitien im Alltag für Ehepaare” habe ich eine Methode gefunden, die dafür hilfreich ist. Da wird vorgeschlagen, dass sich die Partner regelmäßig Zeit für Gespräche ohne ein konkretes Thema oder einen “Anlassfall” nehmen. Dabei sollen sie miteinander festlegen, wie oft dieses Gespräch sein und wie lange es dauern soll. Die Termine müssen dann fix vereinbart und mindestens genau so ernst genommen werden, wie andere unverrückbare Termine.
DAS “PARTNERGESPRÄCH OHNE THEMA” (Bernhard Liss)
Unterscheidungen von sonstigen guten Gesprächen
- Der vereinbarte Termin: Es kommt nicht auf die momentane Stimmung an, sondern es geht um einen vereinbarten Service für die Beziehung, der auf jeden Fall durchgeführt wird.
- Die Regelmäßigkeit: Das einzelne Paar muß entscheiden, was der individuellen Situation angemessen ist. Ein 14tägiger Rhythmus sollte zumindest eingehalten werden. Aber auch das wöchentliche Gespräch ist möglich.
- Die festgelegte Dauer: Man redet nicht, “solange es läuft”, sondern im Rahmen einer vorher festgesetzten Zeit. Auch wenn es schwerfällt, gilt es Phasen des Schweigens durchzuhalten und nicht abzubrechen. Die Beziehung muß den Partnern so viel wert sein, daß sie ihr durch die eingehaltene Zeit Chancen der Entwicklung einräumen, egal ob momentan das Gefühl vorhanden ist, daß dies auch gelingt oder nicht.
- Die wechselnde Verantwortung: Die Partner übernehmen abwechselnd die Verantwortung für die Festlegung des Termins, des Ortes und für das Schaffen der entsprechenden Atmosphäre der Ruhe. Festlegen heißt nicht, allein bestimmen, sondern rechtzeitig darauf achten, daß eine entsprechende Vereinbarung getroffen wird.
Grundregeln
- Der Partner, der für dieses Gespräch die Verantwortung trägt, beginnt und darf ungefähr 15 Minuten sprechen – oder schweigen – ohne unterbrochen zu werden. Das gleiche gilt für den anderen Partner in den folgenden 15 Minuten.
- Der Sprecher versucht Einblick in das eigene Innere zu geben, indem er sein eigenes Gefühl ausdrückt (“Ich habe gestern Angst gehabt....”) die eigene Meinung artikuliert (“Ich lese gern verschiedene Zeitungen, weil....”) die eigenen Wünsche klar ausspricht (“Ich möchte im nächsten Sommer.....”)
- Der jeweilige Zuhörer drückt die Haltung des Interesses aus und stellt keine Fragen, außer es war etwas unverständlich. (“Sprichst du jetzt von gestern oder ganz allgemein?”)
- Bei Problemen ist es wichtig, Verständnis und Mitgefühl auszudrücken und nicht Ratschläge zu erteilen. (“Das muß dich ja geärgert habe.” Statt: “Hast du nicht versucht....”)
- Praktische Fragen, die in der Ehe diskutiert und entschieden werden müssen, sind auf andere Zeiten zu verschieben, damit hier nicht “über Probleme geredet” wird, sondern die Möglichkeit besteht, dem Partner einen Blick in das eigene Innenleben zu eröffnen. (Beispiel neues Auto. Nicht: Wie wird es finanziert? Aber: “ Mir würde ein neues Auto das Gefühl geben....”)
Luitgard Derschmidt, Juni 2003